500 Jahre Reformation
Der Pommernkonvent („Gemeinschaft evangelischer Pommern e.V.“) wurde auf der diesjährigen Frühjahrstagung des Konvents der ehemaligen evangelischen Ostkirchen e.V. im Kirchenamt der EKD in Hannover (16./17. März 2017) durch das Vorstandsmitglied Helmut Köhler vertreten.
Einige ausgewählte themenbezogene Erläuterungen sollen ergänzend etwas den größeren thematischen Zusammenhang verdeutlichen, in dem die Tagung steht.
Mit dem Reformationsjubiläum 2017 endet die Lutherdekade, die von 2008 bis 2017 mit vielfältigen Veranstaltungen und Reiseangeboten zur Spurensuche an Originalschauplätzen der Reformation einlädt und so die verschiedenen Aspekte der Reformation aufzeigt, deren Impulse bis in unsere heutige Zeit reichen und solche vielfältigen Themen wie Musik, Kunst und Sprache ebenso behandelt wie Politik, Toleranz und das Verständnis von Freiheit.
Die Tagung unter dem Thema Reformation im östlichen Europa wurde durch OKR Dirk Stelter (Bereich Mittel-, Ost- und Südosteuropa in der Hauptabteilung IV: „Ökumene und Auslandsarbeit“) eingeleitet unter der Überschrift:
Reformation geht weiter – Reformationsgedenken in Mittel- und Osteuropa
Die Reformation war nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Ereignis. Seit dem 16. Jahrhundert führten verschiedene Reformwege zu einer Erneuerung von Kirche und Leben, und einer davon ist die Reformation Martin Luthers.
Im östlichen Europa nahm die Formierungsphase der reformatorischen Konfessionskirchen einen längeren Zeitraum in Anspruch als auf deutschem Boden.
Man spricht von einem „Luthereffekt“, was die Ausbreitung und, auch politische,
Auswirkung dessen betrifft, was mit dem Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 seinen Anfang nahm.
Dabei waren die Ablass-Thesen Luthers ursprünglich nicht s als Aufforderung zu revolutionärem Aufstand gedacht, sondern als damals gebräuchliche Anregung zu wissenschaftlichem Disput.
Eine große Ausstellung in Berlins Deutschem Historischen Museum (12. April bis 5. November 2017) wird durch fünf Jahrhunderte und über vier Kontinente führen und den „Luthereffekt“ in seiner Vielfalt und Wirkungsgeschichte aufzeigen, aber auch die Konfliktpotenziale des Protestantismus in der Welt.
Das erste Referat der Tagung, Der Luthereffekt im östlichen Europa, von Prof. Dr. Winfried Eberhard (Leipzig), behandelt historisch-politische Ereignisse und Zusammenhänge im Gefolge des Reformationsgeschehens, an dessen epochalem Beginn der Wittenberger Thesenanschlag steht. Das Wechselspiel von Reformation und Politik wird von ihm detailreich erläutert.
Besondere Aufmerksamkeit verdient sodann das Referat Frauen in der Reformation, (Prof. Dr. Cornelia Schlarb, Göttingen), welches detaillierter vorgestellt werden soll:
Die Referentin stellt ausgewählte bedeutende Frauen in ihrer jeweiligen Rolle als Reformatorinnen, Reformatorenfrauen sowie reformatorisch wirksame Frauen vor.
Ein wesentliches Ergebnis der Reformation war die Verteidigung der Priesterehe.
Seit die EKD im Jahre 2008 die Lutherdekade, zur Feier des Beginns der Reformation vor 500 Jahren, ausgerufen hat, nimmt auch in Deutschland das Interesse daran zu, in welcher Weise Frauen dazu beitrugen, die reformatorischen Ideen auszubreiten und damit zugleich auch einen neuen Lebensstil zu befördern.
Die Zeit war bereit für kirchliche und gesellschaftliche Reformen, denn der Humanismus (Erasmus von Rotterdam und Andere) hatten geistige Vorarbeiten geleistet, und der neue Buchdruck (Gutenberg) und Luthers Aktivitäten beförderten die schnelle Verbreitung neuer Ideen.
In der Folge begannen die Menschen, sich von der Rolle der Kirche als alleiniger Heilsvermittlerin zu befreien, denn nun sah sich jeder unmittelbar mit dem eigenen Gewissen vor Gott; so hatte Luther es zuvor im tiefsten Inneren durchlebt (und sodann gelehrt.) Auf der Grundlage zentraler reformatorischer Lehren (wie dem durch die Taufe begründeten Priestertum aller Gläubigen) und der neuen Zugänglichkeit der Heiligen Schrift öffnete sich auch für Frauen die Möglichkeit, öffentlich zu predigen und teilzunehmen an den theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der Zeit.
Frauen stellten die Hälfte der Bevölkerung dar, so wie auch heute, und hätten sie die Reformation abgelehnt, wäre das sicher deren Ende gewesen (Roland Bainton, am. Kirchenhistoriker). Damals war die Reformation nicht nur eine „Gelehrten“- sondern vorrangig eine Massenbewegung, welche für Frauen viele Möglichkeiten der Mitwirkung bot und auch auf ihre Beteiligung angewiesen war (Jung/vgl. D. Kommer, Diss. 2012).
Es wird im Folgenden eine Reihe von bemerkenswerten Frauen der Reformationszeit vorgestellt, deren Namen im Allgemeinen kaum oder gar nicht bekannt sind, und doch haben sie eine bedeutende emanzipatorische Rolle gespielt.
Am bekanntesten ist sicher Katharina von Bora, Ehefrau Luthers und ehemalige Nonne eines Klosters von Zisterzienserinnen. Sie ist ein besonderes Beispiel der Emanzipation von Frauen im Gefolge der neuen Ideen der Reformation.
Erwähnt sei, dass für die reformatorischen Frauen die alttestamentarischen Gestalten von Judith und Susanna als Vorbilder wirkten.
Es seien genannt:
Katharina Zell (geb. Schütz), 1497-1562 (Elsaß).
Argulla von Grumbach (geb. Reichsfreiin von Stauff), Verfasserin von Flugschriften
(1492 – 1568)
Ursula Wayda (verh. Eisenberg), 1504 – 1565, Autorin von Flugschriften (in der Kontroverse um das Klosterleben)
Katarzyna Sydonia (Teschen), 1550 – 1594,
Zsuzsanna Lorantffy (Ungarn), 1602 – 1660, Förderin der Reformation; Einfluss auf Amos Comenius; trat ein für Mädchenerziehung
Apollonia Hirscher (Kronstadt/Siebenbürgen), 1547 – (?)
Olympia Fulvia Morata (1526-55), Humanistin, Protestantin, Wissenschaftlerin
Liederdichterinnen:
Elisabeth Cruciger (geb. Meseritz, aus Hinterpommern, 1504 -1535 (Wittenberg); gehörte zum Freundeskreis Martin Luthers und war erste Dichterin geistlicher Lieder im reformatorischen Umfeld
Katharina Conrad, geb. v. Pappenheim (1591-1626)
Anm. zu „Reformatorische Flugschriften“:
Dorothee Kommer veröffentlichte eine Arbeit zur Kirchen- und Theologiegeschichte: „Flugschriftenautorinnen der frühen Reformationszeit und ihre Sicht von Geistlichkeit“ (Ev. Verlagsanstalt Leipzig): „Das neue Medium der Flugschrift ermöglichte auch Frauen, in der Öffentlichkeit zu wirken und damit die Verbreitung reformatorischer Ideen voranzubringen. Zwischen 1523 und 1534 gingen im deutschen Sprachraum 18 Flugschriften reformatorisch denkender Frauen in den Druck, eine weitere erschien 1557. … Ein immer wiederkehrendes Thema in diesen Flugschriften ist die Auseinandersetzung mit geistlichen Personen und Autoritäten, die die Frauen dazu führt, auch ihr eigenes Selbstverständnis zu reflektieren und sich – ganz im reformatorischen Sinne wie die Männer – als mit dem Geist Gottes Begabte zu verstehen.“
(Leseprobe aus der Online-Verlagsinformation)
Helmut Köhler (Münster)